Thesen zur Kunstwurst,
wenn das Bild denkt
I Bedeutung ist der Kunst sein Tod.
1.
Was Kunstwurst ist
In einen schmalen und präservativdünnen Kunstdarm hineingepreßt und mit Schnürchen abgebunden das Kunstbrät – Zusammengerührtes aus Museums- und Wissenschaftsabfällen,
mit Bedeutungssauce und kleingehackten Steinchen des Anstoßes gestreckt und schwergewichtig gemacht. Nach dieser Wurst nun sind alle scharf, die Künstler voran.
Nichts ist bedeutsamer als die Bedeutsamkeit.
2.
Der Weg weg von der Kunstwurst
Die Frage nach der Bedeutsamkeit ist eine Frage der Außenzone von Kunst und hat mit Kunst nichts zu tun.
Oder wir hebeln die Bedeutsamkeit aus ihren Angeln und stellen fest, daß alles, was ist, bedeutsam ist. Was hat das mit Kunst zu tun? Nichts. Außer: Kunst ist Teil von all dem, was ist und das deshalb bedeutsam ist. Daraus folgt, daß Kunst a) nicht besonders bedeutsam und b) keine Theorie ist, denn wäre sie Theorie, dann wäre sie nicht Teil von dem, was ist.
Performatives Zwischenstück: Kohlrabi-Schälen
3.
Normierungen von außen wie pädagogische oder allgemeingesellschaftliche Zielsetzungen (sozialistische Realismus, feministische Kunst u.ä.) sind i.d.R. ideologische Funktionszuschreibungen und widersprechen dem Freiheitsanspruch aller, die in der Kunst arbeiten.
Und was ist mit Kreativität, mit Genialität, mit Individualität ? Was soll damit sein.
Von denen, die außerhalb der Kunst stehen, und von Erfolgreichen in selbstschmeichelnder Erwartungshaltung für die Kunst und für die Künstler gern in Anspruch genommen:
Und wieder stehen wir in Mitten von Bedeutungsumschreibungen.
Lassen wir das, füllen es der Kunstwurst nach.
Performativer Zwischensatz:
Wann sind wir so dumm, daß wir behaupten können, wir seien frei von Vorurteilen.
Das ist frei nach Beuys, Ich suche den Dümmsten.
4.
Freiheit als einen wesentlichen Bestandteil von Bild
Nur das Bild bestimmt, was das Bild und mit dem Bild der Künstler zuläßt, sofern der Künstler
selbst frei ist von außerbildlichen Positionen, kunstwissenschaftlichen Ideologien, normativen
Ästhetiken, gefühlsstandardisierenden Medien etc.
Für den Nichtkünstler sei zur Beruhigung angezeigt, daß damit dem Anarchismus eine eindeutige
Begrenzung aufgetragen ist – das Bild. Das Bild ist gewissermaßen eine geschlossene Anstalt,
kein Elfenbeinturm, wie oft behauptet wird.
Wir denken das Denken der Bilder
Performativer Einstieg in das Denken des Bildes
Material: Staffelei, 3 weiße Leinwände 60 x 70 cm, schwarze Farbe
Erster Malschritt: Leinwand 1 mit einem Klecks
Leinwand 2 mit dem Versuch, den Klecks zu kopieren
Leinwand 3 bleibt weiß
5.
Jedes Bild denkt.
Mit dem ersten Klecks auf dem Bild fängt das Bild an zu denken.
Wer Kunst machen will, wird damit befaßt sein, dem Denken des Bildes auf die Spur zu kommen.
Damit wird der Kopf auf den Fuß gestellt und das Bild zum Subjekt, zum Gegenüber des
Künstlers, nicht dessen Objekt, das er sich willfährig unterwerfen kann.
6.
Das Bild verlangt Ehrlichkeit, und aus dieser Ehrlichkeit Konsequenz.
Bilder mögen keine billigen Effekte, den schönen Schein der Lüge, der Gefälligkeit; so tun, als
ob man der und der sei, da können Bilder ganz böse werden – gnadenlos zeigen sie allen, die
es sehen wollen, was man da für einem Mist gemacht hat.
7.
Wenn aber jemand sagt, das Bild sei Mist, dann soll es Bilder geben, die spucken, wenn der Betrachter aus einer Arroganz heraus sagt, daß das Bild Mist sei.
Es ist leicht zu erkennen, daß die Bilder als denkende Wesen es oft nicht einfach haben,
weder mit denen, die sie machen, noch mit denen, die es betrachten.
8.
In jedem Bild formen sich Empfindungen.
Das Bild denkt in Empfindungen. Das ist die ästhetische Qualität des Bildes.
Das bedeutet nun nicht, daß Bilder besonders gefühlsbetont sein müssen, gar sentimentales
Lutschen an einer erträumten Seeligkeit offenbaren – hoffentlich nicht!
Man kann ja nie wissen, in was sich die Betrachter verrennen.
Sondern: Das Ästhetische ist das dem Bilde innewohnende Denksystem.
9.
Bild übt sich im Denken
Das Bild muß sich im Denken üben und sich ständig seiner ihm innewohnende „Logik“ vergewissern. Komposition ist sicher ein solches dem Bild innewohnendes Denkmuster,
auch die sog. Farblehre hat damit zu tun, und sicher hat der Begriff Stil auch etwas von Logik. Diese Kategorien werden als Aspekte einer wie auch immer bezeichneten Analyse an einzelnen Kunstwerken deskriptiv erprobt oder auch angewandt oder auch durchexerziert.
Aber die Strukturen des Bilddenkens, gedacht im Bild, offenbaren einen nicht enden wollenden Bildfluß. Das hat nun weder etwas mit bildnerischem Denken zu tun noch mit ästhetisch gewollten Parallelen zum Syllogismus, nur um die einfachste Form der Logik zu nennen, noch mit mathematischer Logik im Sinne der vollendeten Induktion.
Im Bild ist nichts, aber auch gar nichts eineindeutig.
Performative Bildzone: Das Denken üben.
Ein Beispiel, kleiner Ausschnitt:
10.
Dem Bild beim Denken zuschauen. Oder: Wie die Kunstwurst das Rennen verliert.
Performative Bildzone Denken: Wie das Bild sich bei Romy erdachte
(Kleiner Ausschnitt; Romy war im Sommere 2011 acht Jahre alt)
11.
Jedes Bild weiß, daß es nicht in einem bildleeren Raum denkt. Es verlangt, das sein Macher in der Inanspruchnahme seiner Freiheit das, was er benutzt, weichdenkt.
II Das Bild und der Betrachter
12.
Das Bild verlangt, daß jeder, der es betrachtet, spürt, daß es, wenn auch in einem geringen Maße,
im Widerspruch zu allen anderen Bildern steht.
13.
Das Verhältnis des Bildes zu seinem Betrachter ist nicht wesentlich anders als das Verhältnis zu seinem Künstler. Es bleibt selbstdenkendes Subjekt.
14.
Als solches ist es dem Betrachter gegenüber ein Gesprächspartner auf gleicher Aughöhe.
15.
Treten Dritte zwischen Bild und Betrachter und wollen dem Betrachter erklären, was das Bild bedeutet, so vernichten sie den Sinn des Bildes.
16.
Führungen in Museen, Ausstellungslobpreisungen, Versteigerungsspektakel etc. sind Kunstvernichtungsaktionen; sie sind Teil einer korrupten Medienantikultur und dienen der ästhetischen Verblödung der Massen.
17.
Das Bild denkt sich seinen Teil dazu.